AYRTON SENNA Da Silva    
                   Erinnerungen an den unsterblichen Champion



Zielgerade.
 


 

Ausschnitt aus Gerhard Bergers Buch Zielgerade

 

Zitat Berger:  

Sein Tod war für die Formel 1
wie 
wenn die Sonn´ vom Himmel fällt
 

Senna war 21, als er für mich auftauchte, ich war 22. Es war gegen Saisonende 1981, und er siegte im Formel-Ford-Rennen in Hockenheim. Ein Jahr später kam ich zum Formel 3 Rennen nach Monte Carlo, da war Senna schon in der Formel 1, bei Toleman. Ich spazierte über die Strecke und traf ihn. Er blieb stehen, wir redeten, ich fragte ihn, wie das so ist in der Formel 1, und er erzählte mir irgend etwas nettes. Wir hatten ein gutes Gefühl füreinander. (Was sich Jahre später auch bestätigte) 1985 war ich selbst in der Formel 1, bei Arrows. Senna fuhr Lotus, und wir hatten kaum etwas miteinander zu tun. Ich hielt ihn für keine außerordentliche Größe, aber er gehörte eindeutig zu den Talentierteren. 1986, im Benetton, war ich schon so flott unterwegs, dass wir zwangsläufig in Kontakt kommen mussten, denn Senna hat sich hauptsächlich um das gekümmert, was ihm irgendwie im Weg gestanden ist oder ihn gestört hat in seinem Konzept.

1987 war ich schon im Ferrari, der dem Lotus gegenüber meistens das überlegene Auto war. Trotzdem konnte er überhaupt nicht akzeptieren, das man wegen eines unterlegenen Autos langsamer sein sollte als der andere. In seinem Kopf existierte das nicht, da gibt´s nur Senna, und alle anderen haben hinter ihm zu sein. Einmal, in Jerez, hatte er zwar den besten Start, aber keineswegs das schnellst Auto. Es bildete sich eine Kolonne von sechs oder sieben Autos, ich mittendrin, die alle an ihm vorbei wollten. Mit der wildesten Kampflinie, die manchmal schon Zickzack führte, hielt er alle hinter sich. In der Kolonne wurde die Ungeduld immer größer, und in einem der Hauruck-Manöver flog ich ab. Senna hatte danach immerhin ein schlechte Gewissen und redete mich deswegen an. Es gab nicht viel zu reden: Er hatte aus seiner Situation das Beste gemacht, Glückwunsch! Zu dieser Zeit scherte er sich noch nicht um Taktik. Seine Taktik war: Ich will immer vorn sein, und lass mich nicht überholen.

1988 zog er davon, fuhr McLaren, wurde das erste mal Weltmeister. Ich war WM-Dritter auf Ferrari. 1989, in Brasilien hat´s wieder gekracht zwischen uns zwei, und ich bin rausgesegelt. Gesamt gesehen, war es ein schwaches Ferrari Jahr. So gab es aus meiner Sicht noch keinen Grund, Senna für den besseren Rennfahrer zu halten. So hatte ich auch kein Problem, 1990 zu ihm ins McLaren-Team zu kommen, anstelle von Prost.

Ich war naiv, unbelastet und fröhlich, als ich mich auf Senna einließ. Unser gutes Privates Feeling füreinander machte es noch mal leichter für mich. Unsere Wohnungen in Monte Carlo waren nahe beisammen, ich hockte öfter bei ihm am Balkon, und wir redeten ganz gern über Geld, sogar erstaunlich offen. Ich verdiente damals fast so viel wie er, das war beruhigend.

Senna begriff bald, dass ich der ideale Teamkollege für ihn war. Ich überraschte ihn mit dem reinen Speed und kam ihn dabei näher als irgend jemand sonst, auch viel näher als Prost es je geschafft hatte. Drotzdem war ich keine wirkliche Bedrohung für ihn*, weil er mich auf Grund seiner Perfektion im griff hatte. Somit wurde er immer lockerer und öffnete sich mir gegenüber immer mehr. Da sind zwar viele Leute zu mir gekommen und haben mir gute Tipps gegeben, du machst das falsch, du darfst ihn nicht alles Freund akzeptieren, sondern musst ihn zum Feindbild aufbauen, musst ihn bekämpfen auf jeder Ebene, aber das ging mir gegen den Strich, ich konnte einfach nicht den Feind in ihm sehen, dazu mochte ich ihn zu gut leiden. Solche Dinge sind sehr unüblich in der Formel 1, aber es war eben so. *(Wohl eine der ehrlichsten Aussagen eines Formel 1 Piloten)

Gegen Ende 1990 rückten wir noch näher zusammen, hatten immer öfter privaten Kontakt. Er kam zu uns aufs Boot, das war die Maria Rosa 27. Wir lagen vor Sardinien, hatten unsere Hetz und fuhren Jet-ski wie die Blöden.Im Jet-Ski- Fahren kamen wir wirklich ans Limit  (er hat noch  jedesmal den  Vergaser eingestellt), und manchmal mussten wir einander aus dem Wasser fischen, weil sich das Gerät einfach aufgelöst hatte. Er lud mich dann zu sich nach Brasilien ein, zu seinem Haus in Angra, phantastisch gelegen, direkt an einem Sandstrand. Ein Betonsteg führte hinaus ins Meer, und wenn die Wellen nicht zu hoch waren und man den Kopf einzog, konnte man mit dem Jet - Ski unten durchfahren. Senna war sehr gut in dieser Disziplin, schon wegen des Trainingvorteils. Für einen Gast war´s eher eine mulmige Sache. Mir ist schon beim Zuschauen schlecht geworden, aber es musste wohl sein.

Ich lernte Ayrtons Bekannte kennen, auch seinen Wahlonkel Braga, auf den die Brasilianischen Dimensionen des Reichtums tatsächlich zutrafen. Es war auch die Zeit, wo Josef Leberer jenes besondere Verhältnis zu Senna aufbaute, das dann bis zu dessen Tod halten sollte. Joe war einer jener gesamtheitlichen Masseure und Fitness- Fachleute, die im Kielwasser des berühmten Willy Dungl in die Formel 1 gekommen waren und  bald unverzichtbar  wurden. Vorerst war Joe im McLaren Team noch für beide Fahrer zuständig, später bei Williams nur für Senna. Seine Begabung zum Clown - Spielen war eine wünschenswerter Nebeneffekt der Massage und Heilkunde, und Senna hatte wohl einigen Nachholbedarf an Blödelei ohne tieferen Zweck und ohne Sorge ums Image.

Wenn ich wieder in Europa war, telefonierten wir alle paar Tage, er erzählte auch immer mehr über sein Privatleben. Er war damals sehr verliebt in Xuxa, sprich Schuscha, sozusagen die Kindertante des brasilianischen Fernsehens, unheimlich populär im ganzen Land. Sie war jedenfalls oberste Liga in jeder Beziehung und dürfte eine der wenigen Menschen gewesen sein, die Ayrton Senna gewachsen waren. Sie war sein Traum, scheint sich aber nicht ganz so nach ihm gerichtet zu haben, wie er es gebraucht hätte, und so gab es mehr Krisen in seinem Gefühlsleben, als man ihm zugetraut hätte.

Dann tauchte Christine auf, auch eine Brasilianerin, lustig und viel plappernd, mit ihr schloss sich dann wieder der Kreis bei Sennas Aufenthalten auf meinem mittlerweile neuen Boot, der Pia. Wir lagen vor Ibiza, dampften auch eine Menge herum. Das liest sich vielleicht ein bissl nach Millionärsferien, tatsächlich waren es unendlich kostbare Tage, weil sie dem Stress des Rennkalenders abgejagt wurden. Wenn wir wirklich einmal drei oder vier ungestörte Tage hatten, war´s ein Traum mit einer Intensität an Erholungswert, wofür andere drei Wochen brauchen.


.: Erster Mai 1994 - Der gelbe Helm hat für immer aufgehört zu leuchten :.