AYRTON SENNA Da Silva    
                   Erinnerungen an den unsterblichen Champion



Berger's Scherze.
 

Aus Bergers Buch Zielgerade
 

Australien 1990, etliche Tage vor dem Rennen. Nach dem Abendessen haben wir begonnen, die Leute samt Gewand in den Pool zu schmeissen, und ich hab mich gut gewehrt und bin nicht reingeflogen, aber etliche andere sehr wohl. Senna lief davon, damit wir ihn nicht erwischen. Wie ich dann an seinem Zimmer vorbeigegangen bin, hat er mich ganz verschämt und neckisch mit einem Glas Wasser angeschüttet. Als Tiroler wirst du da nicht einmal feucht, aber immerhin, es war sein Zeichen dass er mitspielen wollte. Somit war er dran. Mit einem Schlauch bastelten wir eine Verlängerung eines Feuerlöschers, und die führten wir ihm um drei Uhr früh unter der Tür ein. Wir hatten noch ein paar Zuschauer eingeladen und drückten dann ab. Senna kam beim Fenster raus  wie eine Rakete. In dem Zimmer hat´s ausgeschaut wie wenn eine Bombe eingeschlagen hätte. Es gab einen Riesenwirbel, die Leute sind aufgewacht und haben Senna zusammengeschissen, weil er soviel Lärm macht. Dem war das unglaublich peinlich. Am nächsten Tag hielt er mir einen Vortrag, dass da Chemikalien drin sind und er sterben hätte können. Aber immerhin hat er sich zur Revanche aufgerufen gefühlt und manchmal wieder einen neckischen kleinen Scherz probiert, wofür ihn jeweils die hundertfache Rache traf.

Hübsch war die Käsegeschichte von Mexiko. Zur Vorbereitung auf die Höhenlage waren wir schon ein paar Wochen vorher dort, also konnte man die Sache mit aller Liebe aufbauen. Karlheinz Zimmermann besorgte einen passenden Fisch und einen besonders streng riechenden Käse, beides ließ ich eine hübsche Weile in der Sonne liegen. Es hat so brutal gestunken, das kann sich kein Mensch vorstellen. Das Zeug haben wir dem Senna unters Bett gelegt, aber ein paar Extraportionen noch in den Lüftungsschächten verteilt. Natürlich ist er auf das Zeug unterm Bett draufgekommen und hat es weggetan, den weiteren Gestank hielt er für eine Nachwirkung, die bald abnehmen würde. Aber klarerweise hat es  genauso brutal weitergestunken. Selbst draußen am Gang wurden die Hotelgäste blas. Das Hotel war absolut voll, Senna konnte nicht einmal ausziehen. Obendrein hatte ihm jemand gesagt, Mexiko sei das Land der schwarzen Magie, und als Brasilianer hielt er es daher für schlauer, nachts die Fenster nicht offen zu lassen. Für kurze Zeit war er ziemlich beleidigt, aber im großen und ganzen gewöhnte er sich an eine abwechslungsreiche Art des Umgangs miteinander. Etwa, wie er sein Zimmer im australischen Port Douglas voller Frösche fand, Frösche im Bett, in jeder Schublade, in jeder Tasche. Du bist ein richtiges Arschloch, sagte er in der Früh, ich hab die halbe Nacht nichts anderes getan, als die Kröten ins Freie zu bringen. "Und wo war die Schlange?" So fand er auch die nächsten Nächte wenig Ruh.

Die Nummer, die Senna am meisten verblüffte, weil sie einfach in seinen Kopf nicht reinging, war die Aktenkoffer-Ex-Hubschrauber-Sache. Wir wohnten wie üblich in der Villa d`Este am Comer See und hatten einen Helikopter für den Flug nach Monza. Ron Dennis und Senna waren stundenlang beieinandergehockt, hatten unter großen Schmerzen ihren neuen Vertrag ausgetüftelt und unterschrieben. Senna steckte diese Papiere in einen 8.000 Dollar - Aktenkoffer. Er war sehr stolz auf seinen Koffer, und wir alle wussten, dass er achttausend Dollar gekostet hatte und dass es in Amerika eine Fernsehwerbung gab, bei der man einen Elefanten draufsteigen ließ. Senna flog den Helikopter selbst, sonst waren noch Ron Dennis, seine Frau Lisa und ich an Bord. Als wir mit dem Landeanflug auf Monza begannen, machte ich die Tür auf und schmiss den Koffer raus. Senna kriegte das gar nicht mit, die anderen waren völlig entgeistert und brachten keinen Mucks raus. Ich machte die Tür wieder zu und schaute dem Aktenkoffer nach, wie er 150 Meter unter uns aufschlug und eine kleine Staubwolke produzierte. Der Einweiser vom Heli - Landeplatz in seinem orangen Overall dachte offensichtlich, der Hubschrauber hätte was verloren, und rannte zu der Aufschlagstelle. Mittlerweile landeten wir, Senna suchte seinen Koffer und lachte, so wie er halt lachte, dem man seinen Aktenkoffer versteckt hat. Die beiden anderen stellten sich tot, Senna ging rund um den Hubschrauber und suchte den Koffer. Da hörte man schon das Geschrei des orangen Mannes von weit her, er kam mit dem Aktenkoffer angerannt. Plötzlich kapierte Senna, dass das sein Koffer war, und er schaute abwechselnd auf den Koffer, in die Luft und auf mich und konnte es einfach nicht packen. Es stellte sich allerdings heraus, dass das Ding tatsächlich noch intakt war, da war ich wiederum perplex und stand als Verlierer da. Beim Aufmachen sah man aber, dass die Füllfedern und die Kugelschreiber explodiert waren  und eine Riesensauerei angerichtet hatten, insofern war die Aktion kein totaler Flop. Senna jammerte zwar über die achttausend Dollar (denn unbrauchbar war das Zeug allemal), aber er war nicht wirklich angefressen. Irgendwie beschäftigte es ihn, dass jemand so durchgeknallt sein konnte, Ayrton Senna´s Aktenkoffer aus dem Heli zu schmeißen.

Ich muss dazu sagen, dass ich heute keine Aktenkoffer mehr aus dem Hubschrauber fliegen lassen würde, es war einfach typisch für die damalige Zeit und wie wir einander mit Blödsinnigkeit überboten.


.: Erster Mai 1994 - Der gelbe Helm hat für immer aufgehört zu leuchten :.