AYRTON SENNA Da Silva    
                   Erinnerungen an den unsterblichen Champion



Prozess.
 

von Karin Sturm

 
Ende im Senna-Prozess nach elf Jahren: Keine Strafen – aber Verantwortung für Patrick Head (Mai 2005)

Elf Jahre nach dem Tod von Ayrton Senna in Imola fiel in Bologna am Nürburgring-Freitag das vorerst letzte Urteil im Prozess um Ursache, Schuld und Verantwortung für den Unfall des dreimaligen Weltmeisters am 1. Mai 1994: Ein Freispruch für den damaligen Williams-Designer Adrian Newey, „weil er als Designer nicht für spätere Veränderungen am Auto verantwortlich gemacht werden kann.“ Bei Technikchef Patrick Head sieht die Sache etwas anders aus: Zwar wurde das Verfahren gegen ihn wegen Verjährung eingestellt – allerdings mit der Feststellung, dass er die Verantwortung für unsachgemäße Modifikationen an der Lenksäule des Autos trage, die deshalb gebrochen sei.

Im Prinzip war vieles in diesem endlosen Prozess von Anfang an vor allem eine politische Farce: Worum es eigentlich ging, die Unfallursache zu klären – das war eigentlich schon in der ersten Runde 1997 erreicht worden. Und das, obwohl die Formel-1-Szene von Anfang an mauerte. Bernie Ecclestone, als Zeuge vorgeladen, erschien im Mai 1997 gar nicht erst, seine Vorstellungen sahen die Formel 1 als quasi rechtsfreien Raum, in dem ordentliche Gerichte nichts zu suchen haben. Andere kamen zwar, blockten aber gewaltig ab, erinnerten sich an nichts mehr, wie Damon Hill, oder machten wie David Coulthard sehr zweifelhafte Aussagen - von oben unter Druck gesetzt? An einer Aufklärung schien in der Formel-1-Szene niemand interessiert - und das betroffenen Williams-Team schon überhaupt nicht: „Williams hat sich von Anfang an sehr unkooperativ verhalten“, erinnert sich der italienische Ex-Formel-1- und heutige Audi-Pilot Emanuele Pirro, Mitglied der offiziellen Untersuchungskommission, die ja schon den Bruch der Lenksäule als Unfallursache ermittelt hatte.

Staatsanwalt Maurizio Passarini gelang es damals trotzdem, anhand von Gutachten und elektronisch leicht bearbeiteten Aufnahmen aus der Inboard-Kamera aus Sennas Cockpit genau diesen Fakt sehr schlüssig zu untermauern – und auch zu zeigen, dass offensichtlich schlampig gearbeitet worden war. Seine Strafanträge richteten sich gegen die beiden verantwortlichen Williams-Techniker Patrick Head und Adrian Newey, für die er jeweils ein Jahr Freiheitsstrafe auf Bewährung forderte, „ weil von Technikern ihrer Qualifikation verantwortungsbewusstes Arbeiten verlangt werden muss, auch wenn sie vielleicht unter Druck standen, weil Senna selbst Modifikationen gefordert hat.“

Am 16. Dezember 1997 wurden die ersten Urteile gesprochen: Freisprüche – aber solche zweiter Klasse. In der Urteilsbegründung stand eindeutig, dass ein Bruch der Lenksäule am Williams die Ursache für den Senna-Unfall gewesen sein musste. Dass es damals zu keiner Verurteilung der Williams-Spitze kam, lag lediglich daran, dass keine eindeutige persönliche Schuldzuweisung an die Technikchefs Patrick Head und Adrian Newey möglich war und dass es für eine Verurteilung eben notwendig sei, einen direkten kausalen Zusammenhang zwischen dem persönlichen Handeln des Einzelnen und den Konsequenzen herzustellen. Der Bruch der Lenksäule sei aber die einzig logische und schlüssige Erklärung für den Unfall, betonte Richter Antonio Costanzo.

Doch in einem Berufungsverfahren, 1999 dann plötzlich innerhalb weniger Wochen ohne weitere Anhörungen von einem übergeordneten, bisher mit der Angelegenheit nicht befassten Gericht durchgezogen, wurde dann selbst diese Feststellung weiter abgeschwächt. Ganz zufällig natürlich nach einigen mehr oder wenigen deutlichen Hinweisen auf die Gefährdung von GP-Rennen in Italien aus führenden Formel-1-Kreisen... Die Formel-1-Politik schien ihr Ziel erreicht zu haben. Bis der oberste italienische Gerichtshof dann 2004 entschied, das an sich 1999 abgeschlossene Verfahren noch einmal aufzunehmen – offiziell wegen Formfehlern. In höheren italienischen Justizkreisen war Unmut aufgekommen, dass offenbar auf Grund des politischen Drucks in der Berufung alle vorher vorliegenden Fakten völlig unter den Tisch gekehrt wurden. Jetzt wurden zumindest diese Tatsachen wieder klargestellt – die Verantwortung von Patrick Head – auch ohne Strafe – aufgezeigt. Woraufhin Heads Anwalt jetzt in Italien schon erklärte, man werde die schriftliche Urteilsbegründung abwarten – und dann möglicherweise noch einmal in die Berufung gehen...

Was man dann auch versuchte - was aber jetzt gerade vor ein paar Tagen endgültig zurückgewiesen wurde - verjährt!

Drei Scann's aus Karin Sturm's F1 Jahrbuch 1997


.: Erster Mai 1994 - Der gelbe Helm hat für immer aufgehört zu leuchten :.