AYRTON SENNA Da Silva    
                   Erinnerungen an den unsterblichen Champion



Interview.
 

aus dem Buch "Ayrton Senna Seine Siege - Sein Vermächtnis" von Karin Sturm
 

 

Was bedeutet für dich Glück?
Glück kommt aus einer bestimmten mentalen Verfassung und daraus, in Frieden mit sich selbst zu sein, Menschen um sich zu haben, die man mag, das zu tun, was man gerne tut.

Wovon träumst du?
Manchmal auch von Rennen, aber vor allem von den vielen Plänen, die ich habe, die nur indirekt mit dem Rennsport zu tun haben. Ich habe durch meinen Erfolg Zugang zu sehr vielen Leuten, die Einfluss haben, etwas bewirken können in den Projekten, die ich in Zukunft vorhabe - das möchte ich nutzen.

Was hat dich zuletzt bewegt?
Wenn ich im Fernsehen irgend welche Wettkämpfe sehe, wenn jemand eine Herausforderung gegen andere besteht, etwas erreicht, dann berührt mich das emotional, weil ich weiß, wie wichtig es für jeden Sportler ist, seine Ziele zu erreichen, weil ich weiß, wie sehr es ihn innerlich berührt. Ich habe die gleichen Gefühle, und deshalb bewegt mich so etwas. Und dann hat mich bewegt, das ich dieses Jahr den Beginn der Friedensverhandlungen in Washington zwischen Jsrael und den Palästinensern sah, das Treffen zwischen dem israelischen Premierminister und Arafat. Da gibt es einen historischen Konflikt zwischen zwei Gruppen von Menschen, der soviel Leid und Blutvergießen gebracht hat. Und dann sieht man diese Menschen, die in der Lage sind, einen Anfang für ein neues Leben zu finden, die versuchen, Frieden zwischen ihren Völkern zu schaffen. Das war sehr bewegend, denn wir wissen, wie tief der Hass war, welche Konflikte sich da über Generationen aufgebaut hatten. Es bedarf großer Anstrengungen und guten Willens, um da einen Friedensprozess in Gang zu bringen.

Woran glaubst du?
An Gott.

Was hältst du für deine Stärke?
Dass ich alle Dinge konsequent angehe, meine Einsatzbereitschaft und Entschlossenheit.

Was ist deine schlechteste Angewohnheit?
Ich schlafe zu viel.

Hast du eine Sehnsucht, einen Traum für die Zukunft?
Ja, die habe ich. Manche Pläne existieren bis jetzt erst in meinem Kopf, da habe ich noch keinen Weg gefunden, sie zusammen mit anderen Leuten in die Tat umzusetzen. Andere sind auf dem Weg, sind noch geheim , aber dafür wird man in den nächsten drei, vier Monaten mehr wissen. Aber ich habe soviel Ideen, was ich machen will, und weiß nur noch nicht wie. Wenn ich im Bett liege, diesem Zustand zwischen Wachsein und Schlafen, dann denke ich ewig darüber nach, kann gar nicht mehr aufhören, komme von einem zum nächsten. Und all diese Pläne werden ein Traum, ich sehe sie wachsen, Fortschritte machen, sehe Menschen, die darüber glücklich sind... Aber noch sind viele Projekte nur Träume. (Zwischenfrage: Sind es vor allem soziale Projekte für Kinder?) Ja, ganz stark in diese Richtung, nicht nur für Kinder, aber vor allem für Kinder.

Was ödet dich an?
Korruption und Lügen

Mit welcher Persönlichkeit würdest du gern tauschen?
Manchmal wäre ich gern mein kleiner Neffe, dann wieder mein Vater mit all seiner Erfahrung, manchmal meine Schwester; denn wir bewegen uns alle in verschiedenen Bereichen, haben verschiedene Verantwortung. Manchmal wünsche ich mir ein Arzt zu sein, und manchmal möchte ich wirklich nur ich selbst sein können, nur der Erfahrung wegen, um die Realität besser wahrnehmen zu können. Denn normalerweise habe ich immer viele Leute um mich herum, die sich um mich kümmern, bin regelrecht abgeschirmt. Man lässt viele Menschen erst gar nicht an mich heran. Deshalb sehe ich viele Dinge nicht, die um mich herum vorgehen. Ich weiß, das mich manche Leute von vorne nett und freundlich behandeln und hinter meinem Rücken ganz anders reden. Oder sie behandeln Menschen die mir nahe stehen, nicht so wie mich selbst. Und deshalb wünsche ich mir oft, ein ganz normaler, unbekannter  Mensch zu sein, um wahrnehmen zu können, was wirklich passiert. Ich möchte mich selbst von außerhalb betrachten können, um die Realität zu sehen, wie die Leute agieren, wie sie reagieren...(Zwischenfrage: so, als ob du über dir selbst fliegen könntest?)  Ja, genau... Fliegen zu können, daß wäre ein großer Wunsch - aber er wird sich wohl nicht realisieren lassen.

Welchen Spleen hast du?
Ich glaube nicht, das ich wirklich einen habe. Aber vielleicht könnte man es als Spleen bezeichnen, das ich aufregende Dinge wirklich genießen kann. Das ist eine meiner Eigenschaften.

Über wen oder was kannst du lachen?
Über Komödianten.

Dein Hauptcharakterzug?
Niemals aufzugeben.

Was würdest du gern an dir ändern?
Vielleicht besser akzeptieren zu können, wie die Menschen nun mal sind. Es ist schwierig, gewisse Dinge zu akzeptieren, aber ich wünsche mir, in der Zukunft flexibler auf andere Menschen reagieren zu können, sie so zu nehmen, wie sie sind -
manche mit ihren großartigen Qualitäten, manche mit ihren großen Fehlern, aber alle einfach so, wie sie sind.

Welcher Verzicht fällt dir schwer?
Manchmal der auf Zeiten der Entspannung, manchmal der auf aufregende Erlebnisse.

Wie verwöhnst du dich?
Einfach nur durch Entspannen, alles langsamer angehen lassen.

Wer ist dein Lieblingsgegner?
Da gab und gibt es verschiedene in den verschiedenen Abschnitten meiner Karriere. Im Kart z.B. war es Terry Fullerton. Wir hatten viel Spaß, er war ein exzellenter  Fahrer. In der Formel1 würde ich sagen Mansell und Prost. (Zwischenfrage: nicht Gerhard Berger?)  Nein, eigentlich nicht. Denn obwohl Gerhard und ich natürlich gegeneinander gekämpft haben, geschah das nie in einer negative Weise, es war immer positiv. Wir haben Respekt voreinander, wir verstehen uns und deshalb haben wir uns nie ans absolute Limit getrieben. Wir sind schon hart gefahren, aber nie über die Grenzen gegangen, weil wir uns nie gegenseitig irgendwie schaden wollten. Mit Prost und Mansell war das anders. Wir waren immer erbitterte Gegner, und haben uns deshalb immer weiter getrieben.

Was ärgert dich am Sport?
Wenn Dinge unfair, unkorrekt gehandhabt werden.

Wen würdest du gern kennen lernen? 
Ich würde gerne in der Zeit zurückgehe können, in die verschiedensten Epoche nicht meines Lebens, sondern der Gschichte. In die Siebziger, die Sechzig, die Fünfziger, die Vierziger, 1900, 1800, 1500, das Jahr vor Christi Geburt Geburt, ich möchte all die Menschen treffen, die Geschichte gemacht oder gute Dinge getan haben. Ich möchte sie einfach nur beobachten können, um zu sehen, was sie wirklich getan haben, warum sie bestimmte Dinge getan haben, gute und weniger gute. Ich glaube, das wäre der optimale Weg, um das Leben und die Menschen heute besser zu verstehen.

Welche Schlagzeile würdest du gern über dich lesen?
Nur meinen Namen - das reicht.

Was bedeutet für dich Popularität?
Ebenso bewundert zu werden wie im Zentrum von Stress, Abneigung und Neid zu stehen. Popularität hat sehr viele unterschiedliche Seiten. Natürlich genieße ich - wie jeder - nur die positiven Elemente davon, aber man muss darauf vorbereitet sein, auch mit den negativen Seiten eines Lebens in der Öffentlichkeit fertigzuwerden.

Was war die dümmste Frage. die dir gestellt wurde?
(Lacht) Das kann ich nicht beantworte ohne Ärger zu kriegen. Nein, ernsthaft. So etwas merke ich mir gar nicht. Ich belaste mich nicht mit negativen Dinge schon gar nicht jetzt, in diesem Moment meiner Karriere. Ich bin in guter Verfassung, in guter Stimmung. Speziell hier jetzt, an diesem Wochenende. Ich habe hier Leute aus meiner Kart - Zeit wiedergetroffen, die ich vor fünfzehn Jahren kennen gelernt habe. Gegner, mit denen ich gefightet habe, Leute aus anderen Teams, Leute, mit denen ich gearbeitet habe, die mir viel beigebracht haben. Ich habe sie alle lange Zeit nicht gesehen.

Wen oder was würdest du auf ein einsame Insel mitnehmen?
Dazu müsste ich erst einmal die Insel inspizieren, sehen, wie die Atmosphäre dort ist, und dann würde ich die richtige Person wählen -einen Freund, einen Kumpel vielleicht, oder meine Freundin. Einsame Insel- was heißt das überhaupt. Heißt das, daß man dort in Frieden mit sich selbst sein kann, meditieren. Oder daß man alles mit dem Menschen teilen kann, den man liebt? Oder heißt es, das man viel unternehmen kann, Sport treiben zum Beispiel, wofür man Partner nie braucht, viele, nicht einen oder zwei? Es hängt davon ab, wie man das sieht, und deswegen müsste ich erst einmal hingehen und ein Gefühl dafür entwickeln, Was ich dort machen will. Aber ich glaube, ich würde nicht nur einen Menschen mitnehmen wollen. Wenn es ein schöner Platz ist, dann möchte ich schon ein paar Leute mehr um mich herum haben, mit denen ich das alles teilen kann.

Welche Erfindung ist für dich die wichtigste?
Ich glaube, die wichtigsten Erfindungen sind auf dem Gebiet der Medizin gemacht worden. Impfstoffe, zum Beispiel der gegen Kinderlähmung, das war eine wichtige Sache. Aber auch gegen andere Krankheiten, die früher soviel Schmerz und Leid verursacht haben und die man jetzt vollständig unter Kontrolle hat. Auch auf dem Gebiet der Technik gibt es viele Fortschritte, aber das ist ein ständiger Prozess. Man erfindet eine Sache, im nächsten Jahr die nächste. Nein, ich glaube, wovon wir alle, ob arm oder reich, gleichermaßen profitieren, sind Fortschritte in der Medizin, die Krankheiten und Schmerz verhindern.

Welche Fähigkeiten möchtest du besitzen?
Andere Menschen besser zu verstehen.

Welche Illusionen hast du im Laufe deiner Karriere verloren?
Die Illusion, das man das System überwinden kann. Also muss man sich entscheiden. Entweder man passt sich an, oder man bleibt man selbst und wird mit den Problemen, die sich daraus ergeben, irgendwie fertig.

Welche Hobbys hast du außer Sport?
Modellflugzeuge, Jet - Ski Fahren, Wasserski, Musik hören.

Welche Sportart hältst du für überflüssig?
Keine, alle haben ihre Berechtigung

Deine größte Enttäuschung als Sportler?
Wie gesagt, ich denke nicht negativ, deshalb will ich mich an solche Dinge nicht erinnern.

Wer ist für dich der/die größte Athlet/Athletin aller Zeiten?
Schwer, sich auf einen festzulegen. Fangio ist einer oder Pele, auch Cassius Clay. Ich möchte nicht einen über alle stellen, jeder hat seine eigene Stärke und Bedeutung.

Was ist schlimmer als eine Niederlage?
Betrogen zu werden. Eine sportlich faire Niederlage kann einen sogar besser machen, aber zu verlieren, weil man betrogen wird, das ist unakzeptabel.

Was ist dein Lebensziel?
Lange zu leben und mich dabei immer weiter zu verbessern. Nicht nur für meinen Beruf, sondern vor allem für mein Leben insgesamt. Hoffentlich kann ich noch viele Dinge tun.


.: Erster Mai 1994 - Der gelbe Helm hat für immer aufgehört zu leuchten :.